Gewaltschutz | KSL.Münster Direkt zum Inhalt

Gewaltschutz

Selbstbestimmt gegen Gewalt!

Menschen mit Behinderungen werden deutlich häufiger Opfer von Gewalt, als Menschen ohne Behinderung. Dies liegt jedoch nicht in der Behinderung selbst begründet, sondern vor allem an diskriminierenden Haltungen, strukturellen Bedingungen und einseitigen Abhängigkeitsverhältnissen. Auf dieser Seite wollen die Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben (KSL.NRW) Bewusstsein schaffen, Informationen teilen und Hinweise zum besseren Schutz vor Gewalt geben. Dabei sind wir fest davon überzeugt, dass Selbstbestimmung ein wichtiger Schlüssel zum Gewaltschutz ist!
 


Beratungs- & Beschwerdemöglichkeiten

Hier finden Sie verschiedene Unterstützungsangebote und Anlaufstellen, wo Sie sich hinwenden können:

Hilfe bei unmittelbaren Gefahren- oder Notlagen

 

Im Notfall rufe die Polizei
Telefon: 110

Notrufapp: nora
https://www.nora-notruf.de/de-as/startseite
oder online: https://online.telefonseelsorge.de/

Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" auch in DGS und in Leichter Sprache:
Telefon: 116016
https://www.hilfetelefon.de/

Kinder und Jugendtelefon "Nummer gegen Kummer":
Telefon: 116111

Hilfetelefon "Gewalt an Männern":
Telefon: 116016

Opfer-Telefon "Weißer Ring":
Telefon: 116006

Hinweistelefon "Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen":
Telefon: 0800 0431431

Telefonseelsorge:
Telefon: 0800 111 0 111

Opferschutzportal NRW:
https://www.opferschutzportal.nrw/
 

Mädchen- und Frauenberatungsstellen, Mädchenzufluchtsstätten und Frauenhäuser, Männerberatungsstellen

 

Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" auch in DGS und in Leichter Sprache:
Telefon: 116016
https://www.hilfetelefon.de/

Autonome Frauennotrufe:
https://www.frauennotrufe-nrw.de/

Beratung für Mädchen:
https://familienportal.nrw/10-bis-16-jahre/beratung/beratung-fuer-maedchen

Angebote zur Unterstützung:
Frauen und Mädchen, die von Gewalt betroffen sind, können sich in zahlreichen landesgeförderten Einrichtungen Rat und Hilfe holen.
https://www.mkjfgfi.nrw/menue/gleichstellung/gewaltschutz-und-gewaltpraevention/unterstuetzung-fuer-frauen/angebote-zur

Frauenhäuser:
https://www.frauen-info-netz.de/
https://www.lag-autonomefrauenhaeusernrw.de/

Frauenhaussuche:
Folgende Filter können gesetzt werden: Rollstuhlgerecht, Sehbehinderung, Hörbehinderung, Lernschwierigkeiten & kognitive Beeinträchtigung
www.fh-suche.de

Frauen und Mädchen mit Behinderungen stärken:

https://www.suse-hilft.de/de/

Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe:

https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/aktuelles.html

Hilfe für Männer mit Gewalterfahrungen:
https://www.maennergewaltschutz.de/

Inklusive Männerberatung:
https://www.caritasverband-steinfurt.de/hilfe-beratung/hilfe-und-beratung/maennerberatung/maennerberatung

 

Kinderschutzeinrichtungen, Jugendämter, Erziehungs- und Familienberatungsstellen

 

Kinder und Jugendtelefon "Nummer gegen Kummer":
Telefon: 116111

Informationen für Kinder über Gewalt:
https://www.kidsinfo-gewalt.de/de

Hinweistelefon "Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen":
Telefon: 0800 0431431

Schulpsychologische Beratungsstellen:
https://www.schulministerium.nrw/schulpsychologische-beratungsstellen

Kinderschutzambulanzen:
https://www.mags.nrw/kinderschutz

Kinderschutz in NRW "Rat und Hilfe":
"Hier finden alle, die sich gerade Sorgen um das Wohl eines Kindes machen, erste Informationen und Unterstützungsangebote.
Es ist gut, dass Sie nicht wegschauen."
https://www.kinderschutz-in-nrw.de/rat-und-hilfe/

Jugendämter:
https://www.unterstuetzung-die-ankommt.de/de/

Erziehungs- und Familienberatungsstellen:
https://www.mkjfgfi.nrw/familienberatung-hilft-familien-schwierigen-lagen

Therapie- und Arztpraxen

 

Psychotherapie Platz finden:
https://www.116117.de/de/psychotherapie.php

Arztpraxis finden:
https://www.116117.de/de/index.php

Traumaambulanzen:

Rheinland LVR
https://www.lvr.de/de/nav_main/soziales_1/soziale_entschaedigung/leistungen/traumaambulanzen/traumaambulanzen.jsp

Westfalen-Lippe LWL
https://www.lwl-soziales-entschaedigungsrecht.de/media/filer_public/76/26/76268d31-ecbb-4cf4-b15e-aaeface1aa7e/liste_traumaambulanzen_lwl_07_2020.pdf
 

Beschwerde- und Hilfestellen in Einrichtungen, Frauenbeauftragte in Werkstätten, Werkstatträte, WTG- Behörden

 

Monitoring- und Beschwerdestelle in NRW:
Die Monitoring- und Beschwerdestelle NRW erfasst Meldungen und Beschwerden im Zusammenhang mit freiheitsbeschränkenden und freiheitsentziehenden Maßnahmen in Einrichtungen.
https://www.lbbp.nrw.de/monitoring-und-beschwerdestelle

Frauenbeauftragte in Werkstätten, Werkstatträte:
In jeder Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) wird von den Beschäftigten ein Werkstattrat und eine Frauenbeauftragte gewählt. Sie vertreten die Interessen der Beschäftigten gegenüber der Werkstattleitung und unterstützen bei Fragen am Arbeitsplatz
https://www.lwl-inklusionsamt-arbeit.de/de/wfbm_al/werkstattrat/
https://www.lvr.de/de/nav_main/soziales_1/menschenmitbehinderung/arbeitundausbildung/werkstattrat_und_frauenbeauftragte/werkstattrat_und_frauenbeauftragte_1.jsp

WTG- Behörden:
Das WTG Gesetz enthält die ordnungsrechtlichen Standards für die Gestaltung von Wohn- und Betreuungsangeboten für ältere Menschen und Menschen mit Behinderung. Dabei geht es zum Beispiel um die bauliche Gestaltung (Einzelzimmerquote, Raumgrößen etc.), aber auch personelle Mindeststandards und Mitwirkungsmöglichkeiten (Heimbeiräte etc.).
https://www.brd.nrw.de/themen/gesundheit-soziales/sozialwesen/wohn-und-teilhabegesetz

Kontakt zu den WTG- Behörden finden sie über die Internetseiten der Kommunen in NRW.

Psychosoziale Prozessbegleitung

 

Wird es notwendig eine Strafanzeige zu stellen und damit verbunden eine Zeugenaussage bei der Polizei oder und ggf. bei Gericht zu tätigen, kann dies mit besonderen Befürchtungen oder Belastungen verbunden sein. Hinzu kommt, dass oft unbekannt ist, wie der weitere Prozess ablaufen wird. Um Unsicherheiten abzumildern und Antworten auf aufkommende Fragen zu finden und während des Prozesses zu begleiten, gibt es seit 2017 die psychosoziale Prozessbegleitung.

Diese beinhaltet folgende Punkte:

Aufklärung über Rechte und Pflichten als Zeug*in Begleitung zu Polizei, Rechtsanwältin/Rechtsanwalt, Gericht Vermittlung von Nebenklageanwälten*innen Information über den Ablauf einer Gerichtsverhandlung Besichtigung des Gerichtssaals im Vorfeld Psychosoziale Unterstützung rund um die Verhandlung Begleitung und Unterstützung am Tag der Verhandlung Information zum Opferentschädigungsgesetz und Hilfe bei der Antragstellung Erläuterung des Verfahrensausgangs und psychosoziale Nachbetreuung Unterstützung bei der Suche nach weiterführenden Beratungs- und Hilfsangeboten

Menschen mit Behinderungen können zu beiden beschriebenen Zielgruppen gehören und durch die Begleitung eine umfassendere Unterstützung finden.

Es wird empfohlen sich bei Bedarf möglichst frühzeitig an mögliche psychosoziale Prozessbegleiter*innen zu wenden.

Die psychosoziale Prozessbegleitung kann beim zuständigen Gericht beantragt werden.

Über den Antrag entscheidet das Gericht und trägt bei einer Beiordnung die Kosten. Bei der Beantragung kann Ihnen eine Begleiterin Ihrer Wahl helfen, z.B. eine Mitarbeiterin der Frauenberatungsstelle und dem Notruf.

Eine psychosoziale Prozessbegleitung kann in jedem Stadium des Verfahrens initiiert werden. Sie hat keine rechtliche oder rechtsvertretende Funktion. Die psychosozialen Prozessbegleiterinnen stehen dem Strafverfahren neutral gegenüber und ersetzen keine Beratung und/oder Therapie. Gespräche über den Tathergang finden nicht statt.

Grundlagen der Arbeit als Psychosoziale Prozessbegleiter*innen sind die gesetzlichen Qualitätsstandards sowie die Qualitätsstandards des Bundesverbands der Psychosozialen Prozessbegleitung (bpp e.V.)

(Quelle: Frauenberatungsstelle Herford e.V. und Notruf)

Die Beiordnung einer psychosozialen Prozessbegleitung ist geregelt:

bei Minderjährigkeit (zum Tatzeitpunkt) und bei sonstigen Opfern schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten, wenn diese ihre Interessen nicht selbst ausreichend wahrnehmen können oder in besonderer Weise schutzbedürftig sind.


mehrere Stapel von Postkarten verschiedener Motiven zum Gewaltschutz

Postkartenaktion der Kompetenzzentren

Mit dieser Postkartenaktion möchten die Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben zu verschiedenen Themen aus dem Gewaltschutz Informieren und Bewusstsein schaffen. Die Postkarten können unter info@ksl-nrw.de kostenfrei bestellt werden.

Postkarte "Ich esse, wann ICH will"

Kennst du assistierte Selbstbestimmung?

Für viele behinderte Menschen ist es keine Selbstverständlichkeit, ihre Bedürfnisse zu erkennen und diese auszuleben so wie sie es möchten. Ihr Alltag wird durch Regeln und Handlungsweisen bestimmt, die sie nicht selbst aufgestellt haben. Sie befinden sich in Abhängigkeitsverhältnissen und unterwerfen sich fremden Entscheidungen und Strukturen. Diese Fremdbestimmungen lassen sich durch assistierte Selbstbestimmung verringern.

Schon mal was von Audismus gehört?

Audismus ist eine Form von Gewalt. Sie umfasst eine diskriminierende Haltung gegenüber Menschen mit Hörbeeinträchtigungen. Die Missachtung individueller Kommunikationsbedürfnisse und -mittel verwehrt die gleichberechtigte Kommunikation und Teilhabe. In Folge können Benachteiligungen u.a. im sozialen, beruflichen oder gesundheitlichen Kontext auftreten.

Postkarte "Ich esse, wann ICH will"

 

Mehr erfahren zu: Assistierte Selbstbestimmung

Jeder Mensch hat das grundlegende Bedürfnis, sein Leben frei und unabhängig nach den eigenen Vorstellungen und Wünschen zu gestalten. Das daraus resultierende Recht auf eine selbstbestimmte Lebensführung, darf keinem Menschen abgesprochen werden. So heißt es im Grundgesetz:

„Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ (GG Art. 2 Satz 1).

Leider wird jedoch nach wie vor vielen Menschen mit Behinderungen das Bedürfnis nach und das Recht auf Selbstbestimmung aberkannt. Dabei wird häufig die Fähigkeit zur selbständigen mit der Fähigkeit zur selbstbestimmten Lebensführung gleichgesetzt. Dieser Fehlschluss ist die Hauptursache für das fremdbestimmende Verhalten gegenüber vielen Menschen mit Behinderungen. Menschen mit Behinderungen die auf Unterstützung bzw. Assistenz angewiesen sind, sind deswegen nicht automatisch unfähig, selber für sich Entscheidungen zu treffen. Nur weil jemand nicht in der Lage ist, sein/ihr Essen selbständig zuzubereiten, heißt das noch lange nicht, dass er/sie nicht genau weiß, wann, was und wie viel er/sie essen will. Menschen mit Behinderungen müssen daher insbesondere von ihrem Hilfe- und Assistenzsystem nicht nur ‚gut versorgt‘ werden, sondern auch dabei unterstützt werden, selbstbestimmt zu leben. Assistierte Selbstbestimmung heißt demnach, Menschen mit Behinderungen dazu zu befähigen selbst Entscheidungen treffen zu können und sie bei dieser Entscheidungsfindung zu unterstützen, statt stellvertretend für sie die Entscheidungen zu treffen. Assistierte Selbstbestimmung wirkt damit Bevormundung entgegen, stärkt die persönlichen Rechte der Menschen mit Behinderungen und schützt so vor übergriffigem Verhalten, Diskriminierungen und Gewalt.

Der Paradigmenwechsel von einer Behindertenpolitik der Wohltätigkeit zu einer Politik der Menschenrechte, der mit dem Verständnis der assistierten Selbstbestimmung einhergeht, wird grundlegend in dem Buch ‚Assistierte Freiheit‘ von Sigrid Graumann beschrieben: https://www.campus.de/buecher-campus-verlag/wissenschaft/philosophie/assistierte_freiheit-3937.html 

Mehr erfahren zu: Audismus

Audismus in Gebärdensprache erklärt:

Gebärde: Audismus | Sehen statt Hören | BR Fernsehen | Fernsehen | BR.de

Eine detailliertere Erklärung zu Audismus gibt es hier:

Was ist Audismus? - nicht stumm! (nicht-stumm.de)

 


Was ist alles Gewalt? 

Gewalt fängt bei Grenzverletzungen an und geht bis zu strafrechtlich relevanten Handlungen..

„Gewalt ist der absichtliche Gebrauch von angedrohtem oder tatsächlichem körperlichem Zwang oder physischer Macht gegen die eigene oder eine andere Person, gegen eine Gruppe oder Gemeinschaft, der entweder konkret oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen, Tod, psychischen Schäden, Fehlentwicklung oder Deprivation führt.“ (WHO)

Und…

„Gewalt ist generell alles, was ein Mensch als störend empfindet, sei das nun eine Ohrfeige, ein Tritt gegen das Schienbein oder eine Beleidigung. Gewalt ist immer eine subjektive Empfindung.“ (Institut für interdisziplinäre Konflikt und Gewaltforschung, Zdun)
 


Formen von Gewalt und Diskriminierung

Personelle Gewalt:

  • Körperliche / physische Gewalt
    Beispiele: Schubsen, grobes Anfassen, unerlaubtes Festhalten, Einsperren
  • Seelische / psychische Gewalt
    Beispiele: Beleidigungen, Drohungen, Angst machen, Abwertungen, nicht ernst nehmen
  • Sexuelle / sexualisierte Gewalt
    Beispiele: beim Umziehen beobachtet werden, gezwungen werden eine Person (intim) zu berühren, sexualisierte Bemerkungen / anzügliche Blicke, Sex ohne Zustimmung

Strukturelle Gewalt:
Diese entsteht durch gesellschaftliche Bedingungen und Strukturen. Sie ist erkennbar in gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedingungen sowie Rollenzuschreibungen. Strukturelle Gewalt hat in der Konsequenz wiederum gewaltvolle Auswirkungen auf einzelne Personen.

Beispiele: fehlende oder mangelnde Barrierefreiheit, fehlende Wahlmöglichkeiten in der Pflege und Assistenz, Gegebenheiten im häuslichen Umfeld, die die Intimsphäre stören oder gelebte Sexualität verhindern (z.B. Mehrbettzimmer), fehlende Schutz-Konzepte

Formen von Diskriminierung:

Ableismus: Menschen ohne Behinderung werden mehr Macht und Möglichkeiten zuerkannt als den meisten Menschen mit Behinderungen.

Sexismus: Ungleiche Machtverhältnisse als Basis von Gewalt. Wenn Männer mehr Macht und Möglichkeiten als Frauen oder queere Menschen haben entsteht Ausschluss und Unterdrückung.

Rassismus: Weißen Menschen werden mehr Macht und Möglichkeiten zugeschrieben als schwarzen Menschen oder Person of Colour.

Klassismus: Menschen werden mehr Macht und Möglichkeiten aufgrund ihrer sozialen Herkunft oder Position zugeschrieben.


Folgen von Gewalt

Gewalt hat immer massive Auswirkungen auf die Psyche, den Körper und das soziale Umfeld der Betroffenen. Die erste unmittelbare Auswirkung von Gewalt ist, dass die Opfer in Furcht leben.

Bei Betroffenen kann es unter anderem zu folgenden körperlichen Reaktionen kommen:

  • Herz-Kreislauf-Beschwerden
  • Diffuse Schmerzen
  • Leistungsabfall
  • Erschöpfungszustände
  • Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
  • Schlafstörungen, Albträume

Bei Betroffenen kann es unter anderem zu folgenden psychischen Reaktionen kommen:

  • Gefühle von Ekel, Scham und Schuld
  • Angstzustände, Panikattacken
  • Depressionen
  • Kontrollverlust
  • Hilflosigkeit
  • Schreckhaftigkeit
  • Betroffene übernehmen die Perspektive des Täters: "Ich bin schuld, dass er so ist."

Bei Betroffenen kann es unter anderem zu folgenden Reaktionen in Bezug auf das soziale Umfeld kommen:

  • Isolation, Rückzug
  • Keine Freunde und Kontakte mehr
  • Finanzielle Abhängigkeit
  • Beschämende Misshandlungen vor den Kindern

Das Recht auf ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben 

Internationales Recht

 

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte / AEMR (1948)

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“  - Freiheit, Gleichheit und Solidarität

Grundrechtscharta der Europäischen Union (2000)

  • Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit
  • Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung
  • Recht auf Freiheit und Sicherheit
  • keine Diskriminierung von Menschen mit Behinderung
  • Beachtung des Selbstbestimmungsrechts von Menschen mit Behinderung

Istanbul Konvention

  • Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Artikel 1 1a, b, Artikel 15, 16)

UN-BRK

Artikel 16 – Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch

„(1) Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial-, Bildungs- und sonstigen Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Wohnung vor jeder Form von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch, einschließlich ihrer geschlechtsspezifischen Aspekte, zu schützen“

„(2) Die Vertragsstaaten treffen außerdem alle geeigneten Maßnahmen, um jede Form von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch zu verhindern, indem sie unter anderem geeignete Formen von das Geschlecht und das Alter berücksichtigender Hilfe und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen und ihre Familien und Betreuungspersonen gewährleisten, einschließlich durch die Bereitstellung von Informationen und Aufklärung darüber, wie Fälle von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch verhindert, erkannt und angezeigt werden können…“
 

Deutsches Recht

 

Grundgesetz (1949)

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

  • Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit
  • Niemand darf wegen seiner Behinderung diskriminiert werden

Gewaltschutzgesetz (2001)

  • Maßnahmen bei Gewalt und Androhung von Gewalt (z.B. Betretungsverbot für Wohnung, Wohnungsüberlassung, Annäherungsverbot)

Bürgerliches Gesetzbuch / BGB – Betreuungsrecht (1991)

      Genehmigung des Betreuungsgericht bei:

  • freiheitsentziehender Unterbringung
  • freiheitsentziehenden Maßnahmen
  • ärztlichen Zwangsmaßnahmen

Sozialgesetzbuch IX (2021)

  • Schutz vor Gewalt, z.B. in besonderen Wohnformen für Menschen mit Behinderung und bei der ambulanten Unterstützung
  • Entwicklung von Gewaltschutzkonzepten

Wohn- und Teilhabesetz / WTG (2008, 2014, 2022)

  • Schutz der Menschen mit Behinderung vor jeder Form der Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch
  • Freiheitsbeschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen sind nur mit vorheriger Genehmigung des Betreuungsgerichts oder der rechtwirksamen Einwilligung des Menschen mit Behinderung zulässig

 

 


Wo findet Gewalt statt?

Gewalt kann überall stattfinden. In der Familie, unter Freunden, in der Schule, auf der Straße, im Bus, im Internet, in der Wohn-Einrichtung etc. Mädchen und Frauen mit Behinderung erleben Gewalt besonders oft. Im Vergleich zum Bevölkerungs-Durchschnitt erleben sie zwei bis dreimal so viel Gewalt. Menschen mit Unterstützungsbedarf und Menschen, die sich insgesamt in sogenannten Abhängigkeitsverhältnissen befinden, weisen ein besonderes Risiko auf, Opfer von Gewalt und Missbrauch zu werden und Grenzerfahrungen zu erleben. Ein Abhängigkeitsverhältnis bedeutet: die Person ist z.B. auf die Unterstützung einer anderen Person angewiesen (Eltern - Kind - Beziehung; Person mit Unterstützungsbedarf - persönliche Assistenz). Ein Abhängigkeitsverhältnis kann auch ein Machtverhältnis darstellen. Am Beispiel der Kommunikation: Sitzende Person und eine stehende Person. Die Personen befinden sich körperlich nicht auf Augenhöhe. Es entsteht ein Machtgefälle.  

Jede Person kann Gewalt ausüben und Täter*in sein: der*die Freund*in, der*die Partner*in, der Vater, die Mutter, der Onkel, der*die Kolleg*in, der, die Chef*in, die Assistenz, der Arzt, die Ärztin, der Fahrdienst, eine nicht bekannte Person. 






 

 

Selbstbestimmt gegen Gewalt!

Menschen mit Behinderungen werden deutlich häufiger Opfer von Gewalt, als Menschen ohne Behinderung. Dies liegt jedoch nicht in der Behinderung selbst begründet, sondern vor allem an diskriminierenden Haltungen, strukturellen Bedingungen und einseitigen Abhängigkeitsverhältnissen. Auf dieser Seite wollen die Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben (KSL.NRW) Bewusstsein schaffen, Informationen teilen und Hinweise zum besseren Schutz vor Gewalt geben. Dabei sind wir fest davon überzeugt, dass Selbstbestimmung ein wichtiger Schlüssel zum Gewaltschutz ist!
 


Beratungs- & Beschwerdemöglichkeiten

Hier finden Sie verschiedene Unterstützungsangebote und Anlaufstellen, wo Sie sich hinwenden können:

Hilfe bei unmittelbaren Gefahren- oder Notlagen

 

Im Notfall rufe die Polizei
Telefon: 110

Notrufapp: nora
https://www.nora-notruf.de/de-as/startseite
oder online: https://online.telefonseelsorge.de/

Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" auch in DGS und in Leichter Sprache:
Telefon: 116016
https://www.hilfetelefon.de/

Kinder und Jugendtelefon "Nummer gegen Kummer":
Telefon: 116111

Hilfetelefon "Gewalt an Männern":
Telefon: 116016

Opfer-Telefon "Weißer Ring":
Telefon: 116006

Hinweistelefon "Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen":
Telefon: 0800 0431431

Telefonseelsorge:
Telefon: 0800 111 0 111

Opferschutzportal NRW:
https://www.opferschutzportal.nrw/
 

Mädchen- und Frauenberatungsstellen, Mädchenzufluchtsstätten und Frauenhäuser, Männerberatungsstellen

 

Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" auch in DGS und in Leichter Sprache:
Telefon: 116016
https://www.hilfetelefon.de/

Autonome Frauennotrufe:
https://www.frauennotrufe-nrw.de/

Beratung für Mädchen:
https://familienportal.nrw/10-bis-16-jahre/beratung/beratung-fuer-maedchen

Angebote zur Unterstützung:
Frauen und Mädchen, die von Gewalt betroffen sind, können sich in zahlreichen landesgeförderten Einrichtungen Rat und Hilfe holen.
https://www.mkjfgfi.nrw/menue/gleichstellung/gewaltschutz-und-gewaltpraevention/unterstuetzung-fuer-frauen/angebote-zur

Frauenhäuser:
https://www.frauen-info-netz.de/
https://www.lag-autonomefrauenhaeusernrw.de/

Frauenhaussuche:
Folgende Filter können gesetzt werden: Rollstuhlgerecht, Sehbehinderung, Hörbehinderung, Lernschwierigkeiten & kognitive Beeinträchtigung
www.fh-suche.de

Frauen und Mädchen mit Behinderungen stärken:

https://www.suse-hilft.de/de/

Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe:

https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/aktuelles.html

Hilfe für Männer mit Gewalterfahrungen:
https://www.maennergewaltschutz.de/

Inklusive Männerberatung:
https://www.caritasverband-steinfurt.de/hilfe-beratung/hilfe-und-beratung/maennerberatung/maennerberatung

 

Kinderschutzeinrichtungen, Jugendämter, Erziehungs- und Familienberatungsstellen

 

Kinder und Jugendtelefon "Nummer gegen Kummer":
Telefon: 116111

Informationen für Kinder über Gewalt:
https://www.kidsinfo-gewalt.de/de

Hinweistelefon "Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen":
Telefon: 0800 0431431

Schulpsychologische Beratungsstellen:
https://www.schulministerium.nrw/schulpsychologische-beratungsstellen

Kinderschutzambulanzen:
https://www.mags.nrw/kinderschutz

Kinderschutz in NRW "Rat und Hilfe":
"Hier finden alle, die sich gerade Sorgen um das Wohl eines Kindes machen, erste Informationen und Unterstützungsangebote.
Es ist gut, dass Sie nicht wegschauen."
https://www.kinderschutz-in-nrw.de/rat-und-hilfe/

Jugendämter:
https://www.unterstuetzung-die-ankommt.de/de/

Erziehungs- und Familienberatungsstellen:
https://www.mkjfgfi.nrw/familienberatung-hilft-familien-schwierigen-lagen

Therapie- und Arztpraxen

 

Psychotherapie Platz finden:
https://www.116117.de/de/psychotherapie.php

Arztpraxis finden:
https://www.116117.de/de/index.php

Traumaambulanzen:

Rheinland LVR
https://www.lvr.de/de/nav_main/soziales_1/soziale_entschaedigung/leistungen/traumaambulanzen/traumaambulanzen.jsp

Westfalen-Lippe LWL
https://www.lwl-soziales-entschaedigungsrecht.de/media/filer_public/76/26/76268d31-ecbb-4cf4-b15e-aaeface1aa7e/liste_traumaambulanzen_lwl_07_2020.pdf
 

Beschwerde- und Hilfestellen in Einrichtungen, Frauenbeauftragte in Werkstätten, Werkstatträte, WTG- Behörden

 

Monitoring- und Beschwerdestelle in NRW:
Die Monitoring- und Beschwerdestelle NRW erfasst Meldungen und Beschwerden im Zusammenhang mit freiheitsbeschränkenden und freiheitsentziehenden Maßnahmen in Einrichtungen.
https://www.lbbp.nrw.de/monitoring-und-beschwerdestelle

Frauenbeauftragte in Werkstätten, Werkstatträte:
In jeder Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) wird von den Beschäftigten ein Werkstattrat und eine Frauenbeauftragte gewählt. Sie vertreten die Interessen der Beschäftigten gegenüber der Werkstattleitung und unterstützen bei Fragen am Arbeitsplatz
https://www.lwl-inklusionsamt-arbeit.de/de/wfbm_al/werkstattrat/
https://www.lvr.de/de/nav_main/soziales_1/menschenmitbehinderung/arbeitundausbildung/werkstattrat_und_frauenbeauftragte/werkstattrat_und_frauenbeauftragte_1.jsp

WTG- Behörden:
Das WTG Gesetz enthält die ordnungsrechtlichen Standards für die Gestaltung von Wohn- und Betreuungsangeboten für ältere Menschen und Menschen mit Behinderung. Dabei geht es zum Beispiel um die bauliche Gestaltung (Einzelzimmerquote, Raumgrößen etc.), aber auch personelle Mindeststandards und Mitwirkungsmöglichkeiten (Heimbeiräte etc.).
https://www.brd.nrw.de/themen/gesundheit-soziales/sozialwesen/wohn-und-teilhabegesetz

Kontakt zu den WTG- Behörden finden sie über die Internetseiten der Kommunen in NRW.

Psychosoziale Prozessbegleitung

 

Wird es notwendig eine Strafanzeige zu stellen und damit verbunden eine Zeugenaussage bei der Polizei oder und ggf. bei Gericht zu tätigen, kann dies mit besonderen Befürchtungen oder Belastungen verbunden sein. Hinzu kommt, dass oft unbekannt ist, wie der weitere Prozess ablaufen wird. Um Unsicherheiten abzumildern und Antworten auf aufkommende Fragen zu finden und während des Prozesses zu begleiten, gibt es seit 2017 die psychosoziale Prozessbegleitung.

Diese beinhaltet folgende Punkte:

Aufklärung über Rechte und Pflichten als Zeug*in Begleitung zu Polizei, Rechtsanwältin/Rechtsanwalt, Gericht Vermittlung von Nebenklageanwälten*innen Information über den Ablauf einer Gerichtsverhandlung Besichtigung des Gerichtssaals im Vorfeld Psychosoziale Unterstützung rund um die Verhandlung Begleitung und Unterstützung am Tag der Verhandlung Information zum Opferentschädigungsgesetz und Hilfe bei der Antragstellung Erläuterung des Verfahrensausgangs und psychosoziale Nachbetreuung Unterstützung bei der Suche nach weiterführenden Beratungs- und Hilfsangeboten

Menschen mit Behinderungen können zu beiden beschriebenen Zielgruppen gehören und durch die Begleitung eine umfassendere Unterstützung finden.

Es wird empfohlen sich bei Bedarf möglichst frühzeitig an mögliche psychosoziale Prozessbegleiter*innen zu wenden.

Die psychosoziale Prozessbegleitung kann beim zuständigen Gericht beantragt werden.

Über den Antrag entscheidet das Gericht und trägt bei einer Beiordnung die Kosten. Bei der Beantragung kann Ihnen eine Begleiterin Ihrer Wahl helfen, z.B. eine Mitarbeiterin der Frauenberatungsstelle und dem Notruf.

Eine psychosoziale Prozessbegleitung kann in jedem Stadium des Verfahrens initiiert werden. Sie hat keine rechtliche oder rechtsvertretende Funktion. Die psychosozialen Prozessbegleiterinnen stehen dem Strafverfahren neutral gegenüber und ersetzen keine Beratung und/oder Therapie. Gespräche über den Tathergang finden nicht statt.

Grundlagen der Arbeit als Psychosoziale Prozessbegleiter*innen sind die gesetzlichen Qualitätsstandards sowie die Qualitätsstandards des Bundesverbands der Psychosozialen Prozessbegleitung (bpp e.V.)

(Quelle: Frauenberatungsstelle Herford e.V. und Notruf)

Die Beiordnung einer psychosozialen Prozessbegleitung ist geregelt:

bei Minderjährigkeit (zum Tatzeitpunkt) und bei sonstigen Opfern schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten, wenn diese ihre Interessen nicht selbst ausreichend wahrnehmen können oder in besonderer Weise schutzbedürftig sind.


mehrere Stapel von Postkarten verschiedener Motiven zum Gewaltschutz

Postkartenaktion der Kompetenzzentren

Mit dieser Postkartenaktion möchten die Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben zu verschiedenen Themen aus dem Gewaltschutz Informieren und Bewusstsein schaffen. Die Postkarten können unter info@ksl-nrw.de kostenfrei bestellt werden.

Postkarte "Ich esse, wann ICH will"

Kennst du assistierte Selbstbestimmung?

Für viele behinderte Menschen ist es keine Selbstverständlichkeit, ihre Bedürfnisse zu erkennen und diese auszuleben so wie sie es möchten. Ihr Alltag wird durch Regeln und Handlungsweisen bestimmt, die sie nicht selbst aufgestellt haben. Sie befinden sich in Abhängigkeitsverhältnissen und unterwerfen sich fremden Entscheidungen und Strukturen. Diese Fremdbestimmungen lassen sich durch assistierte Selbstbestimmung verringern.

Schon mal was von Audismus gehört?

Audismus ist eine Form von Gewalt. Sie umfasst eine diskriminierende Haltung gegenüber Menschen mit Hörbeeinträchtigungen. Die Missachtung individueller Kommunikationsbedürfnisse und -mittel verwehrt die gleichberechtigte Kommunikation und Teilhabe. In Folge können Benachteiligungen u.a. im sozialen, beruflichen oder gesundheitlichen Kontext auftreten.

Postkarte "Ich esse, wann ICH will"

 

Mehr erfahren zu: Assistierte Selbstbestimmung

Jeder Mensch hat das grundlegende Bedürfnis, sein Leben frei und unabhängig nach den eigenen Vorstellungen und Wünschen zu gestalten. Das daraus resultierende Recht auf eine selbstbestimmte Lebensführung, darf keinem Menschen abgesprochen werden. So heißt es im Grundgesetz:

„Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ (GG Art. 2 Satz 1).

Leider wird jedoch nach wie vor vielen Menschen mit Behinderungen das Bedürfnis nach und das Recht auf Selbstbestimmung aberkannt. Dabei wird häufig die Fähigkeit zur selbständigen mit der Fähigkeit zur selbstbestimmten Lebensführung gleichgesetzt. Dieser Fehlschluss ist die Hauptursache für das fremdbestimmende Verhalten gegenüber vielen Menschen mit Behinderungen. Menschen mit Behinderungen die auf Unterstützung bzw. Assistenz angewiesen sind, sind deswegen nicht automatisch unfähig, selber für sich Entscheidungen zu treffen. Nur weil jemand nicht in der Lage ist, sein/ihr Essen selbständig zuzubereiten, heißt das noch lange nicht, dass er/sie nicht genau weiß, wann, was und wie viel er/sie essen will. Menschen mit Behinderungen müssen daher insbesondere von ihrem Hilfe- und Assistenzsystem nicht nur ‚gut versorgt‘ werden, sondern auch dabei unterstützt werden, selbstbestimmt zu leben. Assistierte Selbstbestimmung heißt demnach, Menschen mit Behinderungen dazu zu befähigen selbst Entscheidungen treffen zu können und sie bei dieser Entscheidungsfindung zu unterstützen, statt stellvertretend für sie die Entscheidungen zu treffen. Assistierte Selbstbestimmung wirkt damit Bevormundung entgegen, stärkt die persönlichen Rechte der Menschen mit Behinderungen und schützt so vor übergriffigem Verhalten, Diskriminierungen und Gewalt.

Der Paradigmenwechsel von einer Behindertenpolitik der Wohltätigkeit zu einer Politik der Menschenrechte, der mit dem Verständnis der assistierten Selbstbestimmung einhergeht, wird grundlegend in dem Buch ‚Assistierte Freiheit‘ von Sigrid Graumann beschrieben: https://www.campus.de/buecher-campus-verlag/wissenschaft/philosophie/assistierte_freiheit-3937.html 

Mehr erfahren zu: Audismus

Audismus in Gebärdensprache erklärt:

Gebärde: Audismus | Sehen statt Hören | BR Fernsehen | Fernsehen | BR.de

Eine detailliertere Erklärung zu Audismus gibt es hier:

Was ist Audismus? - nicht stumm! (nicht-stumm.de)

 


Was ist alles Gewalt? 

Gewalt fängt bei Grenzverletzungen an und geht bis zu strafrechtlich relevanten Handlungen..

„Gewalt ist der absichtliche Gebrauch von angedrohtem oder tatsächlichem körperlichem Zwang oder physischer Macht gegen die eigene oder eine andere Person, gegen eine Gruppe oder Gemeinschaft, der entweder konkret oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen, Tod, psychischen Schäden, Fehlentwicklung oder Deprivation führt.“ (WHO)

Und…

„Gewalt ist generell alles, was ein Mensch als störend empfindet, sei das nun eine Ohrfeige, ein Tritt gegen das Schienbein oder eine Beleidigung. Gewalt ist immer eine subjektive Empfindung.“ (Institut für interdisziplinäre Konflikt und Gewaltforschung, Zdun)
 


Formen von Gewalt und Diskriminierung

Personelle Gewalt:

  • Körperliche / physische Gewalt
    Beispiele: Schubsen, grobes Anfassen, unerlaubtes Festhalten, Einsperren
  • Seelische / psychische Gewalt
    Beispiele: Beleidigungen, Drohungen, Angst machen, Abwertungen, nicht ernst nehmen
  • Sexuelle / sexualisierte Gewalt
    Beispiele: beim Umziehen beobachtet werden, gezwungen werden eine Person (intim) zu berühren, sexualisierte Bemerkungen / anzügliche Blicke, Sex ohne Zustimmung

Strukturelle Gewalt:
Diese entsteht durch gesellschaftliche Bedingungen und Strukturen. Sie ist erkennbar in gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedingungen sowie Rollenzuschreibungen. Strukturelle Gewalt hat in der Konsequenz wiederum gewaltvolle Auswirkungen auf einzelne Personen.

Beispiele: fehlende oder mangelnde Barrierefreiheit, fehlende Wahlmöglichkeiten in der Pflege und Assistenz, Gegebenheiten im häuslichen Umfeld, die die Intimsphäre stören oder gelebte Sexualität verhindern (z.B. Mehrbettzimmer), fehlende Schutz-Konzepte

Formen von Diskriminierung:

Ableismus: Menschen ohne Behinderung werden mehr Macht und Möglichkeiten zuerkannt als den meisten Menschen mit Behinderungen.

Sexismus: Ungleiche Machtverhältnisse als Basis von Gewalt. Wenn Männer mehr Macht und Möglichkeiten als Frauen oder queere Menschen haben entsteht Ausschluss und Unterdrückung.

Rassismus: Weißen Menschen werden mehr Macht und Möglichkeiten zugeschrieben als schwarzen Menschen oder Person of Colour.

Klassismus: Menschen werden mehr Macht und Möglichkeiten aufgrund ihrer sozialen Herkunft oder Position zugeschrieben.


Folgen von Gewalt

Gewalt hat immer massive Auswirkungen auf die Psyche, den Körper und das soziale Umfeld der Betroffenen. Die erste unmittelbare Auswirkung von Gewalt ist, dass die Opfer in Furcht leben.

Bei Betroffenen kann es unter anderem zu folgenden körperlichen Reaktionen kommen:

  • Herz-Kreislauf-Beschwerden
  • Diffuse Schmerzen
  • Leistungsabfall
  • Erschöpfungszustände
  • Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
  • Schlafstörungen, Albträume

Bei Betroffenen kann es unter anderem zu folgenden psychischen Reaktionen kommen:

  • Gefühle von Ekel, Scham und Schuld
  • Angstzustände, Panikattacken
  • Depressionen
  • Kontrollverlust
  • Hilflosigkeit
  • Schreckhaftigkeit
  • Betroffene übernehmen die Perspektive des Täters: "Ich bin schuld, dass er so ist."

Bei Betroffenen kann es unter anderem zu folgenden Reaktionen in Bezug auf das soziale Umfeld kommen:

  • Isolation, Rückzug
  • Keine Freunde und Kontakte mehr
  • Finanzielle Abhängigkeit
  • Beschämende Misshandlungen vor den Kindern

Das Recht auf ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben 

Internationales Recht

 

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte / AEMR (1948)

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“  - Freiheit, Gleichheit und Solidarität

Grundrechtscharta der Europäischen Union (2000)

  • Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit
  • Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung
  • Recht auf Freiheit und Sicherheit
  • keine Diskriminierung von Menschen mit Behinderung
  • Beachtung des Selbstbestimmungsrechts von Menschen mit Behinderung

Istanbul Konvention

  • Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Artikel 1 1a, b, Artikel 15, 16)

UN-BRK

Artikel 16 – Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch

„(1) Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial-, Bildungs- und sonstigen Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Wohnung vor jeder Form von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch, einschließlich ihrer geschlechtsspezifischen Aspekte, zu schützen“

„(2) Die Vertragsstaaten treffen außerdem alle geeigneten Maßnahmen, um jede Form von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch zu verhindern, indem sie unter anderem geeignete Formen von das Geschlecht und das Alter berücksichtigender Hilfe und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen und ihre Familien und Betreuungspersonen gewährleisten, einschließlich durch die Bereitstellung von Informationen und Aufklärung darüber, wie Fälle von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch verhindert, erkannt und angezeigt werden können…“
 

Deutsches Recht

 

Grundgesetz (1949)

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

  • Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit
  • Niemand darf wegen seiner Behinderung diskriminiert werden

Gewaltschutzgesetz (2001)

  • Maßnahmen bei Gewalt und Androhung von Gewalt (z.B. Betretungsverbot für Wohnung, Wohnungsüberlassung, Annäherungsverbot)

Bürgerliches Gesetzbuch / BGB – Betreuungsrecht (1991)

      Genehmigung des Betreuungsgericht bei:

  • freiheitsentziehender Unterbringung
  • freiheitsentziehenden Maßnahmen
  • ärztlichen Zwangsmaßnahmen

Sozialgesetzbuch IX (2021)

  • Schutz vor Gewalt, z.B. in besonderen Wohnformen für Menschen mit Behinderung und bei der ambulanten Unterstützung
  • Entwicklung von Gewaltschutzkonzepten

Wohn- und Teilhabesetz / WTG (2008, 2014, 2022)

  • Schutz der Menschen mit Behinderung vor jeder Form der Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch
  • Freiheitsbeschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen sind nur mit vorheriger Genehmigung des Betreuungsgerichts oder der rechtwirksamen Einwilligung des Menschen mit Behinderung zulässig

 

 


Wo findet Gewalt statt?

Gewalt kann überall stattfinden. In der Familie, unter Freunden, in der Schule, auf der Straße, im Bus, im Internet, in der Wohn-Einrichtung etc. Mädchen und Frauen mit Behinderung erleben Gewalt besonders oft. Im Vergleich zum Bevölkerungs-Durchschnitt erleben sie zwei bis dreimal so viel Gewalt. Menschen mit Unterstützungsbedarf und Menschen, die sich insgesamt in sogenannten Abhängigkeitsverhältnissen befinden, weisen ein besonderes Risiko auf, Opfer von Gewalt und Missbrauch zu werden und Grenzerfahrungen zu erleben. Ein Abhängigkeitsverhältnis bedeutet: die Person ist z.B. auf die Unterstützung einer anderen Person angewiesen (Eltern - Kind - Beziehung; Person mit Unterstützungsbedarf - persönliche Assistenz). Ein Abhängigkeitsverhältnis kann auch ein Machtverhältnis darstellen. Am Beispiel der Kommunikation: Sitzende Person und eine stehende Person. Die Personen befinden sich körperlich nicht auf Augenhöhe. Es entsteht ein Machtgefälle.  

Jede Person kann Gewalt ausüben und Täter*in sein: der*die Freund*in, der*die Partner*in, der Vater, die Mutter, der Onkel, der*die Kolleg*in, der, die Chef*in, die Assistenz, der Arzt, die Ärztin, der Fahrdienst, eine nicht bekannte Person. 






 

 

Logo der Landesaktive Gewaltschutz vor rotem Hintergrund

Die KSL sind teil der Landesinitiative: Gewaltschutz in Einrichtungen der Behindertenhilfe in NRW

Im Rahmen der Landesinitiative Gewaltschutz Nordrhein-Westfalen wollen Institutionen der Selbsthilfe und der Selbstvertretungen, der Leistungsträger und der Leistungsanbieter sowie des Landes in den kommenden Jahren eng zusammenarbeiten. Ihr gemeinsames Ziel: Den Gewaltschutz in Einrichtungen und Diensten der Eingliederungshilfe in Nordrhein-Westfalen verbessern und die Behindertenhilfe weiterentwickeln.

Mehr Informationen zur Landesinitiative Gewaltschutz:
https://www.mags.nrw/gewaltschutz-einrichtungen-der-behindertenhilfe

Schulungsangebote

Nachfolgend finden Sie eine Übersicht der uns bisher bekannten Schulungsangebote zum Themenfeld Gewalt bzw. Gewaltschutz in Einrichtungen der Eingliederungshilfe:

Landesinitiative Gewaltschutz NRW_Meldungen bestehender Schulungsmaßnahmen (PDF Dokument)

Landesinitiative Gewaltschutz NRW_Meldungen bestehender Schulungsmaßnahmen (Word Dokument)